Ilka 4a 4. Session : Dummheit / Dezember 2005

Die Klientin betritt einen Raum, den sie als chaotisch empfindet. Blätter, Akten liegen auf dem Fußboden, es gibt weder Schreitisch noch Schrank, “nix”.
Auffällig ist nur ein roter Aktenordner, und der ist leer, und es steht auch nichts drauf.
Die Botschaft des Raumes: Damit spiegel ich dir deine Unordnung.
Auf die Frage des Therapeuten nach ihrem Grundlebensgefühl in dem Raum, ob sie sich in dem Chaos vielleicht auch wohlfühle, antwortet sie, es sei ihr nicht fremd, aber sie wolle nun doch Ordnung machen. Um “den ganzen Mist” loszuwerden, will sie nun einen kleinen Schrank bauen.

Th. Machst du es selbst?
Kl. Ja, und dann sortier ich das ein oder schmeiß es rein. Und schließ diesen Schrank.
Th. Spür noch mal, für was steht dieser Schrank: Was ist da alles drin und was wolltest du damit erreichen? Für was ist er Ausdruck? Nur mal spüren, mal wahrnehmen. Ist das dein vergangenes Leben oder deine Unordnung? Oder das erste Aufräumen oder ?
Kl. Das ist die erste Reinigung.
Den Rest verbrennt sie und blickt entspannt ins Feuer.
Kl.............. Ich hoffe ja, (lacht) es wird von alleine wieder ausgehen.
Th. Ja, wenns von alleine brennt, gehts von alleine wieder aus. Willst du das? (Kl. ja) Feuer steht ja auch für Transformation , also irgendwas transformiert sich da. (Kl. ja) Guck mal, wie der Raum jetzt aussieht, ob er dir gefällt.
Kl. Ja, die eine Wand ist vom Feuer ganz schwarz geworden, das stört mich nicht.
Th. Was wir machen könnten, daß wir gucken, was passiert, wenn wir von der ersten Session die Heinzelmännchen holen. Vielleicht können die ja die Wand wieder saubermachen oder aufräumen, guck mal, was die tun.
Kl. Sollen die jetzt kommen?
Th. Die sollen kommen. Die haben wir ja aufgedeckt in der 1. Session, die waren ja wichtig. Guck doch mal, was passiert, wenn die reinkommen, was die machen.
Die Heinzelmännchen kommen und kriegen die Anweisung, die Blätter im Schrank zu ordnen und zwar nach Themen. Und alles, was mit ihrem Brustkrebs zu tun hat, soll bevorzugt behandelt werden. Die Heinzelmännchen fangen mit dem oberen Stapel an, der trägt die Aufschrift “Selbstwertgefühl”. Sie fragen die Kl. auch, wann sie es verloren hat.
Th. Gut, dann geh mal auf der Zeitachse zurück und guck, welche Ereignisse haben dazu beigetragen. Und dann guck mal, was hochkommt als Erstes.
Kl. Das ist mein Vater, wo er gesagt hat: Du bist dumm.
Th. Und möglicherweise können die Heinzelmännchen dadurch helfen, daß sie mit in diese Szene gehen und dir vor Ort helfen. Und hör noch mal die Worte und dann guck mal, was du machen willst oder was die Heinzelmännchen machen. Oder sags deinem Vater, das hat dein Selbstwertgefühl runtergeschraubt oder sowas.
Kl. Ich sprech mit meinem Vater. Das war wieder in der Schule solche Szene, da sollte er mir was erklären, und das konnte er nicht.................. Ich war da vielleicht 10 oder 12......nein 15 oder 16.............. Ich hab mich immer so unter Druck gesetzt gefühlt, und dann ging gar nichts mehr.
Th. Gut, dann zeig doch mal deinem Papa, was aus deinem Leben geworden ist. Daß du studiert hast und was auch immer. Und er soll bitte diesen Satz zurücknehmen. Also so etwa.
Kl. Vater, jetzt schau dir mal mein Leben an: Ich hab die Schule gut geschafft, ich hab das Studium geschafft, und ...........................
Ja, aber du hast mich immer zur Weißglut gebracht mit deinem Gebohre immer. Du wolltest es immer alles ganz genau wissen....
Th. Dh. er hat einfach nur einen Vorwand gebraucht. Er hat gewusst, daß du nicht dumm bist sondern das Gegenteil; du bohrst solange nach, das ist ja normalerweise intelligent (Kl. ja). ........................Kann er das jetzt sehen und den Satz zurücknehmen? Um das gehts.
Kl. Kannst du das jetzt zurücknehmen? Nee, kann ich nicht. Ich seh ja auch noch andere Situationen in deinem Leben, wo du dumm warst. Wo du einfach so drauf los...............
Th. Ah ja, jetzt hast du ein Problem. Jetzt musst du ihm was klarmachen. Vielleicht war das keine Dummheit, sondern Vertrauen, Naivität oder was anderes, keine Ahnung. Guck mal, wie du jetzt mit dem Vorwurf klarkommst. Dein Vater glaubt weiterhin, du wärest dumm.
Die Klientin versucht mit den verschiedensten Argumenten, den Vater zu bewegen, den Satz zurückzunehmen und sich zu entschuldigen - alles ohne Erfolg.
Kl. Warum kannst du das nicht akzeptieren und wertschätzen, was ich gemacht hab?
Weil ich durch meiner Hände letztlich den Grundstein gelegt hab.
Th. Den Grundstein hat er gelegt, das kann ja sein, aber es gibt keinen mehr, der diesen Grundstein legt, denn der ist ja gelegt: Das heißt keiner kriegt mehr ne Chance. Das ist ja unfair............................
Kl. Kannst du mir mal sagen, warum du das so abwertest alles, was ich mache. Auch wenn du den Grundstein gelegt hast?
Die Klientin erklärt nun selbst, daß der Vater vielleicht auch neidisch auf ihr vergleichsweise sorgloses Leben war.
Th. Jetzt kommt mir ein Verdacht. Du hast gesagt, du hast wenig Selbstbewusstsein, vielleicht hat er wenig Selbstbewusstsein. Vielleicht ist das Übertragung. Vielleicht sagt er das, weil er wollte, daß du auch so empfindest wie er.
Kl. Sag mal - mir fällt das jetzt so auf - hast d u wenig Selbstbewusstsein?
Ja, das stimmt.
Sie lässt dem Vater jetzt die Farbe Lila für Selbstbewusstsein einlaufen und stärkt ihn damit. Er besteht jetzt auch den Test, ob er nun etwas gelernt hat: Er geht zurück in eine Situation im Tennisclub, in der er sich zuvor nicht behaupten konnte, und setzt sich durch.
Der Therapeut schlägt vor, daß die Klientin ihren Vater nun mit in ihr Leben von heute nimmt und guckt, ob er sich da jetzt anders benimmt, also neu reagiert und ihr vor allem nicht mehr sagt, daß sie dumm sei.
Th. Dh. also er nimmt dich jetzt als gleichwertiger (Kl. ja). Wie ist das für dich? Sags ihm auch .
Kl. Es ist für mich angenehmer, wenn du mir nicht gleich die Pistole auf die Brust setzt.......... Und daß ich vielleicht auch den Halt, die Unterstützung von dir hab, mich neu zu orientieren.
Th. Was antwortet er dir?
Kl. Ja, mach doch.
Th. Gut , dann frag ihn wieder ganz direkt: Ist es sowas, du hast Vertrauen zu mir? Hälst
mich nicht für dumm? Frag mal ganz direkt.
Kl. Heißt das, .........................
Naja, (sagt der Vater) ich sehe es eigentlich so, daß du mit dem Kopf durch die Wand möchtest, und das Überlegen bei dir immer noch ein bißchen abhanden kommt.
Th. Ist es sowas, du hast einfach eine andere Rangehensweise? (Kl. ja) Aber wir wollen ja rausfinden, hält er dich immer noch für dumm? Und diese Frage soll er einfach mal beantworten. Mit dem Kopf nicken oder mit dem Kopf schütteln.
Kl. Hälst du mich immer noch für dumm? Er ist immer noch nicht so ganz überzeugt.
Th. Tja, was könnte man da machen? Er hat offensichtlich ein relativ stures Weltbild............. Und wie könnten wir dem beikommen? Weil, dein Vater in deinem Kopf, muss sagen: Wie immer du denkst, ist deine Sache. Wie immer du wahrnimmst, ist deine Sache. Aber wenn er sagt, du bist dumm, dann wirkt es............. Kl. unterbricht: Zerstörerisch!!!!!!
Th. Dann ist das, als ob ein Teil von dir sagt, du bist dumm. Und das wirkt immer negativ. Das müssen wir irgendwie noch hinkriegen........................ Mach ihm klar, daß so ein Spruch: Du bist dumm, sich grundsätzlich nachteilig auswirkt. Und daß es einfach dumm ist, sowas zu sagen. Er soll sich das mal überlegen, wie er das aus der Welt schafft wieder.
Die Klientin versucht weiter, ihrem Vater klarzumachen, was er mit diesem Satz angerichtet hat, aber er kontert mit immer neuen Vorwürfen und landet nun bei ihrer Naivität:
Kl. Sag mir , was dumm ist an mir. (Th. ja)
Es ist deine Naivität, wie du die Sachen immer anpackst.
Th. Ah ja, also das stört ihn am meisten? (Kl. ja) Wie ist das für dich, kannst du dem was entgegensetzen?
Kl. Vater für mich birgt das ganz viel Möglichkeiten, indem man das ganz einfach sieht. Da kann sich ja was entwickeln draus.
Th. Genau, es gibt sogar eine statistische Untersuchung: Man hat die 100 erfolgreichsten Menschen der Welt untersucht, und sie hatten alle einige gemeinsame Merkmale, und eines der wichtigsten war die Naivität.
Die haben keine Vorurteile gehabt, die habens auf sich zukommen lassen, und haben geguckt, wie ist es. (Kassettenwechsel , Lücke)
Also dein Vater liegt - wissenschaftlich gesehen - vollkommen falsch. Die erfolgreichsten Menschen waren naiv. Jetzt hast du ein Argument für ihn.
Aber auch die Wissenschaft vermag den Vater nicht dazu zu bringen, den Satz “Du bist dumm” zurückzunehmen. Immerhin ist er inzwischen bereit anzuerkennen, daß sie ihr Leben eigentlich bisher sehr erfolgreich gemanaged hat.
Kl. Ja, (sagt der Vater in ihr) Ich hab das schon gemerkt. Irgendwie ist das immer geglückt, das hat mich immer stutzig gemacht.
Th. Gut, er muss dir jetzt nur noch zubilligen, daß du einfach anders bist, oder naiv bist, das kann er halt nicht oder hat Angst davor. Ist ja in Ordnung, er muss es nicht übernehmen, das ist ganz klar, aber er muss dir deinen Weg und deine Sichtweise zubilligen und diesen Pauschalvorwurf Dummheit zurücknehmen.
Kl. Also, das haben wir jetzt geklärt. Ich möchte jetzt von dir, daß du dein Urteil über mich, daß ich dumm bin, zurückbnimmst.
Du hast mich noch nicht überzeugt. Es geht nicht in mein Ich .
Th. Er scheint wirklich dumm zu sein. Du bist es nicht. Das ist sein Problem Was er mit dieser Dummheit alles angestellt und in dich projiziert hat, das müsste er auch wahrnehmen können.
Denn wenn man jemand sagt, du bist dumm, dann wirkt sich das negativ aus. Weil diese Tatsache, das so zu formulieren, das ist schon dumm. Dh. er hat ein Problem mit Dummheit. Was machen wir jetzt mit ihm? Auf die Schule schicken? Ihn in Therapie stecken, was auch immer (Th. lacht, Kl. lacht mit)..................... Uneinsichtig ist er ..........
Kl. Uneinsichtig! Stur! Rechthaberisch!
Th. Da kommt ja einiges zusammen (beide lachen). Gut dann sag ihm das doch mal.
Kl. Du bist...............................
Th. Und zu seinem Schutz braucht er, daß du dumm bist.
Kl. Und zu deinem Schutz behauptest du, daß ich dumm bin.
Th. Jetzt hat er ein Problem. Die Heinzelmännchen können ja auch mal Stellung nehmen. Die sind doch sicher auch dabei.
Kl. Ja, die Heinzelmännchen sagen, sie stehen hinter mir . Sie sind ja schon länger in meinen Diensten und wissen genau, daß das klappt. Und jetzt sagt mein Vater zu mir, er sieht ja auch, daß es klappt und das verwundert ihn halt immer nur.
Th. Ja, das ist ja ein gutes Zeichen für dich. Wenn er sich wundert, dann lernt er ja jedes Mal wieder was. (Kl. ja) Das ist ja wieder ein Beweis dafür, daß er dumm ist. Denn wenn er was dazulernt, muss er vorher weniger gewusst haben. Also bitte. (Kl. lacht und amüsiert sich immer mehr.)
Th. So langsam entblößt er sich. Was immer er sagt, spricht gegen ihn. (Beide lachen, Kl. lacht jetzt herzhaft). Ja, jetzt hat er ein Problem: Das muss er noch zurücknehmen, wie auch immer. Das lassen wir jetzt nicht mehr durchgehen.
Kl. Ich hab jetzt einfach gedacht......also mein Vater spricht jetzt: Ich hab früher immer einen Fehler gemacht. Ich hab dich bevorzugt, weil ich an deinen Bruder nicht rangekommen bin, aber wenn ich so euer Leben betrachte, ist ja dein Bruder der erfolgreiche Unternehmer........ Und deswegen ist er in seiner Zuneigung irgendwann umgeschwenkt und hat meinem Bruder mehr Zuneigung gegeben als mir.
Th. Gut sag ihm das, und frag ihn, ob das stimmt. Soll wieder nicken oder mit dem Kopf schütteln.
Kl. Ja, das stimmt. Denn er hat es sich erarbeitet. Und ich habs mir noch nicht erarbeitet.
Th. Also das ist.
Kl. Und deswegen kann er das mit der Dummheit noch nicht zurücknehmen.
Th. Also eigentlich will er - da ist Dummheit dann auch das falsche Wort - eigentlich will er, daß du erfolgreich bist, und dein Bruder hat sich wenig drum geschert (Kl. ja) und hat es einfach gemacht. Und dein Vater hat gestaunt. Und das fehlt dir noch.
Das klingt aber, ist da möglicherweise ein bißchen Neid auf deinen Bruder? Also der hats am Wickel gekriegt und du bist den Beweis noch schuldig? Guck mal, ob ihr was laufen habt miteinander.
Kl. Ja, wir haben viel miteinander laufen (Kl. lacht laut.) Neid, mm, naja, er hat ja einen hohen Preis dafür bezahlt. Also, ich bewunder ihn sehr. Er war für mich immer der Vorreiter und... ..........
Sie lässt nun ihren Bruder auftauchen und setzt sich mit ihm auseinander. Er hat zwar die gleichen Maßstäbe wie der Vater: Es geht im Leben in 1. Linie darum, sich sein Geld und seinen beruflichen Erfolg selbst zu erarbeiten. Aber er ist voller Anerkennung für ihre menschlichen Qualitäten.
Kl. Nur die wirtschaftliche Anerkennung fehlt.
Th. Ja, gut. Aber die hat ja mit der Dummheit nichts zu tun. Die (beiden Männer) müssten dir ja nur zubilligen, daß du anders bist, andere Wertmaßstäbe hast, und das ist einfach selbstverständlich. Wenn sie souverän sind, müssten sie das einfach tun.
Weil, daß jemand unterschiedlich erfolgreich wird, das ist auch eine Frage seiner Entscheidung. (Kl. ja) Aber dir geistige Qualitäten absprechen, das ist nicht in Ordnung. An dem Punkt arbeiten wir jetzt. Guck mal, wie können wir das machen? Wie kannst du deinen Vater dahin bringen, daß er dich so akzeptiert, wie du bist?
Um die Frage geht es, und das ist wichtig. Du musst in deinem Kopf.......... das Gefühl haben, du bist anders, und das ist in Ordnung, sowas.
Kl. Vater, wie kann ich dir zeigen, daß ich nicht dumm bin? Oder wie verstehst du, daß ich nur anders bin? (Th. ja) - längere Pause - Er hats ja schon gemerkt, aber er nimmts noch nicht voll zurück. Das muss er aber.
Th. Ja, sag ihm das, in deinem Kopf muss er das. Denn das ist ja eine Beeinträchtigung, er zieht dich ja runter. Sagt zu dir, Mädchen du bist falsch. Und das ist nicht ok. Er muss lernen, daß du richtig bist, und er falsch ist, wenn er dir was überstülpt.
Es gibt keine Normwerte, sondern nur individuelle (Kl. ja) . Und den Unterschied, den checkt er nicht, das müssen wir ihm beibringen. Was immer jemand macht, das ist wertvoll, und das ist seine Entscheidung. Vielleicht lernt er ja grad mal Eigenständigkeit.
Also, übergeordnet gesehen, ist das Individuelle absolut perfekt und richtig. Das muss er checken, da ist er noch ein bißchen hinter dem Berg.Ja, das sind diese alten Leute, die haben Wertvorstellungen, und die sind besser als die anderen, (Kl. ja). Und dann machen sie die Menschen runter und kriegen gar nicht mit, daß sie dumm sind, weil sie die Menschen runter machen. Und die darunter leiden usw. usw.
Das geht ja auch um deinen Zustand, und daß dein Immunsystem gut ist, und da hat das einen hohen Einfluss, wenn der Vater in deinem Kopf sagt, du bist falsch. Mein Gott, das ist doch klar. (Kl. Mmmm) Ja , wir sollten ihn mal auf ne Lebensschule schicken, wo er solche Sachen vielleicht mal lernt. (Kl. ja) Guck mal, sowas gibts bestimmt. Wo er neue Werte lernt.
Kl. Vater, weißt du was? Vielleicht ist das überhaupt die Idee. Du hast zu mir immer mal gesagt, geh in die Laufschule.......... Schicken wir dich für ein paar Wochen in eine Lebensschule.
Th. Genau. Und wenn er alles schon kann, ist ja prima, ......................................
Kl. unterbricht: und lass du dich jetzt mal prüfen!
Th. Und wenn er was Neues lernt, muss er ja froh sein. Das kann er ja mal ausprobieren.
Kl. Ok. Damit ist er einverstanden.
Th. Da haben wir ihn jetzt. Dieses abendländische Denken, da ist Richtig und Falsch so drin, und eine Lebensschule bringt den Leuten ja erst mal bei, daß sie ihre eigene Lebensweise infrage stellen müssen usw. (Kl. ja) , daß sich da mal neue Verhaltensweisen bilden.
Es geht nicht so sehr um eine neue Weltsicht, sondern die alte wird erst mal infrage gestellt. Es wird experimentiert, relativiert. Das sind ja alles ganz wichtige Sachen. (Kl. ja) Gut, dann gucken wir doch mal, wenn er so nach ein paar Monaten, Wochen, Jahren (?) zurückkommt, wie er dann reagiert.
Kl. Er hat viel gelesen, viel mit Menschen gesprochen, viel Leid gesehen (Th. Oh ja), Leute die durch ihre verbissene Haltung einfach großen körperlichen Schaden genommen haben, und sieht das jetzt schon ein bißchen anders mit mir. Und sagt, er wollte mir eigentlich das weitergeben, was er dachte, was das Beste wäre. Aber er hat nicht berücksichtigt, daß jeder Mensch ne andere Sichtweise hat.
Th. Ja, und wenn du damit was Tolles findest, wirst du es dir eh schon rauspicken. (Kl. ja) Er kann sicher sein, daß so tolle Werte sich automatisch weitergeben, aber du entscheidest, und das ist eine Qualität, die zusätzlich hinzukommt. Du musstest früher vielleicht alles übernehmen, das kann sein, aber jetzt kommt ne neue Qualität dazu, ne neue Entscheidung.
Kl. Ja, und ihm tut es jetzt leid. Er merkt, wie sehr er mich verletzt hat, und er hat es nicht verstanden.
Th. Und sag ihm auch noch mal: Es kann sein, daß du jetzt den Krebs bekommen hast, damit du durch deine eigene Lebensschule gehst und damit noch mal ganz tief was lernst. Also sag ihm, du bist auch noch ständig am Lernen. Und vielleicht berührt ihn das ein bißchen.
Kl. Vater, ich hab in meinem Leben schon immer ganz gern gelernt. Und ich möchte auch immer weiter dazulernen. Und jetzt bin ich krank geworden und hab jetzt wirklich die Chance, ganz viel in meinem Leben noch mal neu zu lernen, aber von einer anderen Perspektive. Weil, bis jetzt hab ichs so gemacht unter dem Aspekt, den du mir mitgegeben hast, so daß ich sehr gelitten hab. Und ich möchte mich davon befreien. (Th. ja) Könntest du mir da helfen?
Ja! Jetzt versteht er mich.
Th. Toll! Das ist super. Gut, dann soll er offiziell zurücknehmen, daß du dumm bist.
Kl. Das war sehr dumm von mir, dir zu sagen, daß du dumm bist. Ich habs nicht so gemeint, ich habs nicht anders gewusst. Ich möchte dich da um Verzeihung bitten. Ich bin froh, daß du so bist, wie du bist. Und bin ganz stolz auf dich. (Stimme zittert)
Th Wie ist das für dich? Antworte ihm ruhig.
Kl. Danke, Vater. Jetzt brauche ich es auch. Und ich bin froh, daß ich davon erlöst bin, daß du mich für dumm erachtest, sondern daß du mich respektierst, daß ich einfach anders bin.
Th. Spür mal, ob ihr euch vielleicht jetzt ein bißchen näher wieder rückt.
Kl. Ja, es ist ein tiefes Verständnis.
Th. Das ist ganz wichtig............... (Kl. schluchzt) Bleib ein bißchen in seiner Nähe. (Kl. ja) Musik wird eingespielt. Pause
Th. Ist dein Vater jetzt da?
Kl. Ja, er sitzt ganz ruhig auf einem Stuhl. Und ich hab das Gefühl, ihm ist eine zentnerschwere Last vom Herzen gefallen.
Th. Dir oder ihm?
Kl. Ihm.
Th. Oh ja. Das heißt, er muss noch viel, viel mehr Verbindung wieder zu dir bekommen, damit beide sich jetzt mehr akzeptieren.
Kl. Wir können einfach beide so dasitzen, ohne was reden zu müssen. Wir genießen den Kontakt zueinander ohne Worte.
Th. Ja, dann würde ich jetzt vorschlagen, daß wir an der Stelle aufhören und nichts Neues mehr anfangen. (Kl. ja) Denn das ist ein ganz wichtiger Momen, ich lass dich lieber etwas länger alleine............... Du hast jetzt einfach ganz viel Kontakt mit ihm. Denn darum geht es ja. Du hast losgelassen, bist ganz tief mit ihm in Kontakt, und das irgendwie wahrzunehmen, zu genießen. Und zu spüren, du bist angekommen, dein Vater liebt dich. Diese Verbindung zu spüren, die ist ganz heilsam. Und..willst dus lieber in Stille haben oder Musik dazu?
Kl. In Stille.
Th. Gut, dann komm ich in einer Viertelstunde wieder. (Kl. ja)...............
Th. Und ist noch irgendwas passiert? (Kl. Nöö!) Bist einfach wieder da. Gut, dann komm einfach in deiner Gschwindigkeit zurück und sei wieder ganz da. ...Super!
Kl. Das war dies Mal ein bißchen anders. Das war so zähflüssig, oder?
Th. Ja, das ist so ein heißes Thema. Das geht so um Anerkennungsgeschichte, Wertungsgeschichte.
Kl. Ganz wichtiges Thema!
Th. Ja, es muss letztendlich dahin kommen, daß wieder Verbindung zu deinem Papa passiert. Verstehst du? Denn das trennt ja auch, diese Bewertung.
Kl. Aber verstehst du, warum muss ich erst so alt werden, um das aufzuarbeiten?
Th. Das ist aber bei vielen so. Das ist so gewachsen, und alles was gewachsen ist, ist normal. Aber wenn man dann plötzlich sieht, das muss nicht normal sein, dann kann man es auflösen.
Kl. Naja, wenn ich das jetzt so sehe. Wenn ich nicht krank geworden wäre, dann hätte ich so weitergemacht, ja? Was mir da alles tatsächlich entgangen wäre, ich kann dem Krebs ja nur dankbar sein.
Th. Das ist aber auch das bestmögliche Kriterium. Was ich immer wieder höre, wenn Leute da angekommen sind, dann haben sie die Krankheit überwunden. Dann sind sie gesund. Dann ist das nicht nur hier oben so, dann ist das ganz intensiv passiert. Und dann sehen sie die Abweichung, die da drin liegt, und deshalb sind sie dann dankbar. Weil, wenn man die Abweichung überwindet, dann passiert Dankbarkeit. Das ist das Kriterium überall.
Kl. Ja?
Th. Ja, ich hab das schon oft erlebt. Wenn du so von Spontanheilungen liest, irgendwo, dann sind die Leute dem Krebs dankbar. Und daran sieht man, daß sie echt einen Prozess gemacht haben. Und dann ist das immer das Ergebnis. Das ist für mich das Kriterium: Wenn du deinem Krebs dankbar sein kannst, nicht nur so mental, sondern wirklich. Dann hast du es geschafft.
Kl. Na, das weiß ich ja noch nicht.
Th. Doch von meinem Gefühl hast dus schon geschafft. Das ist solche Geschichte von Kippen, wenn das so in eine andere Richtung kippt. Da hab ich schon das Gefühl, da bist du über den Berg.
Kl. lacht freudig überrascht: Wirklich?
Th. Du musst noch aufräumen, aber das war heute das beste Beispiel: Aufräumen. Aber da ist kein heftiger Knackpunkt mehr, wo ich sagen würde, wenn sie den nicht packt, hat sie Schwierigkeiten.